Ich habe übrigens heute
Herrn O. kennengelernt.
Er ist sehr nett, und wird mir mehr Geld für meinen kleinen roten Traum abknöpfen als ich bei Verstand bereit wäre, dafür zu zahlen.
HMPF.
Bei Verstand ...
dove from above - 17. Sep, 21:43
Wahlkämpfe kotzen mich an. Ich sehe die Gelackten im Fernsehen, wie sie aufeinander eindreschen, bis in die Fingerspitzen durchgecoacht. Hohle Phrasen, einstudierter Quatsch, reisserisches Verhöhnen und Schuldzuweisungen. Botox-gestylte, künstliche Hackfressen. Ich hasse es.
Ich habe mir für diesen Qualkampf ein Kontrastprogramm gesucht und hole endlich etwas nach, was längst fällig war. Ich versuche zu verstehen, was in den 70er Jahren in Deutschland los war, was die RAF angerichtet hat und warum. Angefangen habe ich mit dem Buch "Stammheim" von Kurt Oesterle. Das Buch entstand aus Interviews mit dem leitenden Vollzugsbeamten der 7. Etage von Stammheim, dort wo Baader, Ensslin, Meinhof & Co. letztendlich Selbstmord begingen. Gerade lese ich "RAF" von Butz Peters - eine Zusammenstellung der Ereignisse. Danach werde ich mir als Krönung "Der Baader Meinhof Komplex " von Stefan Aust gönnen.
Als ich zur Welt kam hatte sich die RAF längst formiert und Deutschland war im Aufruhr. In der Schule haben wir das Thema komischerweise nie durchgenommen. Alles was ich kannte waren die berühmten Fahndungsplakate mit den Gesichtern der gesuchten Terroristen drauf. Ein Bekannter von mir wurde mal von der Polizei mit Maschinenpistolen gestellt, weil er sich mit irgendwas verdächtig gemacht hatte. Ansonsten wußte ich bislang nicht viel über die RAF und das Zeitgeschehen der 70er Jahre. Aus den 80ern habe ich auch eher Popkultur mitgenommenn als Politisches. Also - es wurde Zeit, mich ein bißchen reinzulesen in das Thema.
Aber was soll ich sagen - mir fällt es wahnsinnig schwer, irgendwas zu kapieren. Ich lese Fakten und Ereignisse in ihrer Abfolge. Lese über die Charaktere der Beteiligten, wohl auch über das ein oder andere Motiv wie Vietnamkrieg, Dritte Welt, Polizeistaat, Armut, Altnazis auf einflussreichen öffentlichen Posten, usw. Aber Verständnis absolut Null. Nicht weil ich die moralische Überfliegerin bin, die Gewalt in ihren Grundzügen verurteilt, sondern weil mir insgesamt das Wissen über die damalige Zeit fehlt. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie es sich so lebte im Deutschland 20/30 Jahre nach Kriegsende.
Vor allem in einem Punkt krieg ich die Kurve nicht: Es gab scheinbar (?) damals eine enorme Bereitschaft, die deutsche Gesellschaft mit zu formen. Es gab die sogenannten "Intellektuellen", Studenten, die regelmäßig auf die Straße gingen, Menschen die für politische Ziele auf die Straße gingen. Es gehörte einfach dazu, ein politisches Standing zu haben. Die RAF hatte unglaublich viele Sympathisanten - und das obwohl sie offen zur Gewaltanwendung stand. Wie ist es denn passiert, dass es so eine gesellschaftliche "Bewegung" (Bewegung im positiven Sinne von "es bewegt sich was") heute nicht mehr gibt in Deutschland?
Ich empfinde unsere heutige Gesellschaft als unglaublich lahm und träge in politischen und gesellschaftichen Dingen. Vertritt man neue oder wagemutige Ansichten, wird man schnell in die Spinner-Ecke gestellt. Seilschaften werden wohl geknüpft, aber doch nur dazu, dass es dem Business hilft, nicht um gesellschaftskritisch tätig zu werden. Warum war das früher anders?
Vor allem: WAS war damals anders, was war denn der Nährboden für diese RAF, die so ungemein effizient agieren konnte? Waren das bourgoise, irre Kinder, die "was erleben" wollten? War es Leidensdruck? Woher kam der? Einen Religionskrieg kann ich irgendwie noch verstehen - ohne "Verständnis" dafür zu haben. Religiöser Fanatismus ist mir einleuchtender als "Gesellschaftskritischer Fanatismus". Immerhin haben die Mitglieder der RAF nicht für persönliche Ziele gehandelt, sondern für gesellschaftliche. Aber vielleicht ist das der Knackpunkt, warum ich es nicht verstehe: Ich bin ein Kind aus einer Zeit, in der Gesellschaftskritik nicht mehr wichtig ist, in der man sich nicht mehr über politische Ansichten definiert. Das war wohl mal anders, und ich habe das nur noch am Rande mitbekommen - z. B. durch Aufnäher auf Jacken, wo "Gegen Nazis" drauf stand. Trägt heute noch jemand sowas? Nee, oder? Ist ja auch total uncool.
Und letztendlich bleibt die Frage, was die RAF "für" Deutschland erreicht hat. Was ist heute so, weil es die RAF gab? Was wäre heute anders, hätte es die RAF nicht gegeben? Die Existenz der RAF im Nachhinein gut zu heißen kann nicht gehen - dazu gab es zu viele Opfer auf beiden Seiten. Aber war alles umsonst?
Na ja, ich bleibe dran an dem Thema und werde berichten. Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein.
dove from above - 17. Sep, 16:00
war die Welt noch in Ordnung.
Dann kam Sarah Connor im Radio ...
dove from above - 17. Sep, 09:23